Mir kam aufgrund von mehreren Beobachtungen in den letzten Tagen der Gedanke, zum „einfach-mal-die-Klappe-halten“ einen Artikel zu schreiben. Oft wissen wir schon bevor das erste Wort raus ist oder kurz danach, das war keine gute Idee. Hätten wir mal auf unsere Intuition gehört oder unserer gute Erziehung Ehre gemacht…
Deshalb rate ich: Laßt Emails, die Ihr in Wut oder Ärger schreibt, einfach eine Nacht liegen, schlaft drüber und entschärft sie dann. Dieser Rat hat mir schon viele Dankbekundungen eingebracht und mich selbst vor viel Unbill bewahrt.
Die Klappe zu halten, kann in ganz unterschiedlichem Kontext wichtig sein und Beziehungen erhalten oder den Aufbau von Beziehungen nicht zu stören.
Fall 1: Rede Dich nicht um Kopf und Kragen.
Wer Erfolg hat, sollte diesen nicht jedem und schon gar nicht im Detail berichten – es ruft Neider auf den Plan und ungewünschte Nachahmer. Klappe halten ist bisweilen Überlebenstaktik.
Fall 2: Wer Kritik äußert, sollte es gekonnt tun.
Er oder sie könnte sich aber auch an den Grundsatz halten: Wenn ich nichts Positives sagen kann, dann schweige ich. Sich daran zu halten hilft u.a. sehr beim Aufbau von Netzwerken. Ich habe mit meinen Studenten, alles Herren, an der Beuth Hochschule für Technik mehrfach über Feedbackkultur gesprochen und es hinbekommen, dass der geborene Kritiker nun ganz anders kommentiert als zu Semesterbeginn. Inhaltlich waren seine Äußerung okay, er hat einen scharfen analytischen Verstand und einen guten Blick für Schwächen. Doch selbst ich als Nichtbetroffene zuckte bisweilen zusammen. Das ist nicht nötig. Ich mag den Begriff der Wertschätzung nicht, weil er leider zur Worthülse verkommen, doch im Grunde ist es genau das.
Leider ist nicht jeder ein OscarWilde,
der so trefflich zu formulieren verstand.
Oft ist Kritik aus Neid geboren, der in Deutschland leider doch sehr ausgeprägt ist, wie mir ausländische Freunde bestätigen. Sie mag zwar berechtigt sein, doch aus der Art wie formuliert wird, erkennt man ein Motiv hinter dem Motiv. Andere spüren, dass da etwas mitschwingt.
Es ist am elegantesten, Menschen direkt und unter vier Augen darauf anzusprechen, wenn man meint, etwas anmerken zu müssen. Doch auch da gilt: Wähle man die elegante, respektvolle Weise, die den anderen das Gesicht wahren läßt. Manches hätte sich womöglich durch eine Nachfrage klären lassen und sich als Missverständnis herausgestellt…
Leider ist nicht jeder ein OscarWilde, der so trefflich zu formulieren verstand. Also überlge ich mir zweimal, ob und wie ich Kritik äußere.
Wie geht es Euch mit Kritik – dem Äußern ebenso wie mit dem Empfangen?